Was ist Decision Fatigue?
Decision Fatigue ist ein englischer Begriff aus der Psychologie, der übersetzt Entscheidungsmüdigkeit heißt und das Phänomen beschreibt, dass das Treffen von vielen Entscheidungen zu Ermüdung und Erschöpfung führt – und somit auch dazu, dass wir „schlechtere“ Entscheidungen treffen.
Jeder Mensch trifft am Tag tausende Entscheidungen – viele davon ganz kleine und unterbewusste. Dazu gehört alles von „Soll ich nochmal auf die Schlummertaste drücken?“ über „Was ziehe ich an?“ bis hin zu „Soll ich den Abwasch direkt machen oder erst noch fünf Minuten am Esstisch sitzen bleiben?“
Auch wenn Alltagsentscheidungen oft schnell getroffen sind und einem völlig normal vorkommen, laufen im Hintergrund trotzdem jedes Mal kognitive Prozesse ab, die sich auf Dauer anhäufen und uns anstrengen (auch wenn wir es nicht bewusst so wahrnehmen). Das führt deswegen im Laufe des Tages immer mehr zu dieser Entscheidungsmüdigkeit.
Selbst Entscheidungen darüber, wie wir unsere Freizeit verbringen möchten (was eigentlich eine schöne, entspannende Zeit sein soll), strengen uns an – und in der heutigen Zeit ist das alles viel extremer, weil wir in dieser digitalen Welt einen Überfluss an Optionen haben (Apps, Streamingdienste uvm.), der uns total überfordern kann.
Falls du dich also oft erschöpft, ausgelaugt oder mental angestrengt fühlst und deine Konzentrations- und Entscheidungsfähigkeit nachlässt, kann es sein, dass Decision Fatigue (eine Art kognitive Verzerrung) ein Grund dafür ist.
Wie beeinflusst uns dieses Phänomen?
Wenn wir uns erschöpft fühlen, versucht unser Gehirn, Kraft zu sparen und trifft deswegen im Laufe der Zeit oder im Laufe des Tages zunehmend „schlechtere“ (oder gar keine) Entscheidungen – weil es zu Abkürzungen (sogenannten heuristischen Entscheidungsmechanismen) greift, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen.
Zu diesen kognitiven Abkürzungen gehören das Vermeiden oder Aufschieben von Entscheidungen, das impulsive Treffen von Entscheidungen (z. B. Impulskäufe) sowie langes Zögern oder Unentschlossenheit. All dies führt letztendlich dazu, dass wir womöglich anders handeln, als wir es eigentlich gerne würden, unzufrieden sind oder einfach noch gestresster – weil wir z. B. eine halbe Stunde hin- und herüberlegt haben, was wir abends kochen sollten, und letztendlich doch etwas bestellt haben, obwohl es weniger gesund und teurer war, als wir eigentlich wollten.
Kommen dir diese Probleme bekannt vor?
Die gute Nachricht ist: Du weißt jetzt Bescheid, warum das passiert und kannst somit etwas dagegen tun. Folgende Tipps können dabei helfen:
Tipps gegen die Entscheidungsmüdigkeit
1. Wichtige Entscheidungen früher am Tag treffen
Da die Ansammlung von Entscheidungen den Tag über zu mehr Erschöpfung führt, ist es logisch, dass wir morgens, nachdem wir uns eine Nacht lang erholt haben, gedanklich frischer sind. Demzufolge ist es sinnvoll, wichtige oder große Entscheidungen eher früher am Tag zu treffen – und deswegen ist der Rat „Eine Nacht darüber schlafen“ tatsächlich ein guter.
Wenn du nachmittags oder abends merkst, dass deine Entscheidungsfähigkeit und Konzentration nachlässt und es dir möglich ist, wichtige Entscheidungen auf den nächsten Tag zu verschieben, dann tu dies gerne auch mal bewusst (schreibe es dir vielleicht auch auf, damit du weißt, dass du es fürs Erste vergessen kannst) und genieße dann die Erholung bis dahin.
2. Planung und Vorbereitung
Plane deinen nächsten Arbeitstag schon am Vortag, während du im Arbeitsflow bist – dann musst du am nächsten Morgen nicht gleich schon ewig überlegen, was du zu tun hast und wie du den Tag strukturierst.
Schreibe auch beispielsweise im Voraus Einkaufslisten, wenn du dich gedanklich noch frisch fühlst, damit du im Supermarkt nicht noch ewig überlegen musst, was du brauchst. Bereite auch Essen für die Woche am Wochenende weitestgehend vor, Frühstück z. B. am Vorabend und lege z. B. auch deine Kleider für den nächsten Tag schon raus, damit du nicht morgens gleich mit ganz vielen Entscheidungen konfrontiert bist. Lege deine Sportkleidung für den Abend schon bereit, damit du motivierter bist, ihn zu machen, anstatt dann doch noch zu hinterfragen, ob du wirklich willst.
Zusammenfassend: Überlege dir, an welchen Stellen in deinem Leben du dir durch ein wenig Vorbereitung Entscheidungen erleichtern oder abnehmen kannst – und fange an, das nach und nach umzusetzen. Bald werden diese Veränderungen zur Routine und nehmen dann viel weniger Kraft in Anspruch, weil Gewohnheiten automatisch ablaufen – wie das Zähneputzen, das man jeden Abend macht.
3. Auch mal die Verantwortung abgeben
Auch wenn der innere Perfektionist es nicht immer zulassen will: Die Verantwortung für manche Entscheidungen abzugeben, kann uns viel mentale Kraft sparen. Du kannst deine Familie, Mitbewohner, Freunde, Kollegen usw. auch alltägliche Entscheidungen (wie z. B. was es zu essen geben soll, welche Musik laufen soll usw.) übernehmen lassen. Ebenso kannst du andere auch um Hilfe, Rat oder einfach eine Außenperspektive bitten, wenn du dich mit einer Entscheidung schwertust.
Wenn du alleine bist, probiere doch vielleicht mal diesen Münzwurf-Trick aus, um das lange Überlegen bei relativ unwichtigen Entscheidungen absichtlich zu umgehen (und nicht, weil du die Entscheidung aufschiebst oder verdrängst!).
Für größere Entscheidungen, die keinen wirklichen Zeitdruck haben, kannst du dir selbst Deadlines setzen und dir sagen, „Ab dem Zeitpunkt will ich nicht mehr darüber nachdenken, deswegen werde ich es bis dahin entscheiden.“ Überlege dir vielleicht noch eine Belohnung dafür, um dich noch mehr zu motivieren.
4. Minimalistischer leben
Wenn weniger Dinge und Aktivitäten deine Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, musst du auch weniger Entscheidungen treffen. Falls es für dich also umsetzbar ist, versuche doch gerne, ein paar der überflüssigen Dinge aus deinem Leben zu streichen – vielleicht die, die dir sowieso keine wirkliche Freude oder einen Mehrwert bringen.
Tipps, um dein Leben auf das Wesentliche zu konzentrieren und somit entspannter zu sein, findest du in diesem Beitrag!
5. Dich mit deinen Entscheidungen zufriedengeben
Übrigens trägt auch das Hinterfragen von bereits getroffenen Entscheidungen zu Decision Fatigue bei – wenn du also merkst, dass du dies tust, versuche, damit aufzuhören – denn sonst leidest du nur zweimal. Werden dir hinterfragende Gedanken zu Entscheidungen, die in der Vergangenheit liegen, bewusst, kannst du versuchen, sie loszulassen oder zu reframen.
Versuche, dir insgesamt weniger Druck zu machen – es kann auch nicht jede Entscheidung die perfekte sein, doch das ist in Ordnung. Im Normalfall sind die Konsequenzen nicht gravierend und man lernt daraus! Die Energie, die du beim Hinterfragen und Grübeln verbrauchst, kannst du dir sparen!
6. Erholung in den Alltag einbauen
Egal, wie sehr man versucht, sie zu reduzieren: Entscheidungen gehören nun mal zum Leben. Gerade wenn man also viele treffen muss, die man sich z. B. nicht durch Planung oder Vorbereitung erleichtern kann, sollte man sich bewusst Pausen in den Tag einbauen, um zwischendurch immer mal wieder ein bisschen neue Energie zu tanken – am besten bevor man komplett überwältigt und ausgelaugt ist und am besten ohne Ablenkungen (z. B. Handy).
So etwas wie eine Entschleunigungs- oder Achtsamkeitsübungen können in Pausen sinnvoll sein – oder auch einfach vor die Tür zu gehen. Danach fühlt man sich eher erfrischt, als wenn man nur ein paar Minuten durch soziale Medien scrollt und danach genauso überfordert ist wie davor.
Noch interessant:
Decision Fatigue ist ein Grund, weshalb Supermärkte Schokoriegel und andere Süßigkeiten an der Kasse platzieren: Nachdem man im Laufe des Einkaufens alle möglichen Entscheidungen treffen musste, bleibt am Ende weniger Willenskraft übrig und man tendiert eher zu Impulskäufen. Da Zucker auch ein schneller Energielieferant ist, wird die Versuchung noch größer, da der Körper Energie will – doch der kurzfristige Energieschub hält nicht langfristig an und das ist somit auch nicht die sinnvollste Entscheidung. Wenn du dieses Problem also oft hast, denkst du vielleicht nächstes Mal, wenn du an der Kasse bist und nach einer Süßigkeit greifen möchtest, an dieses Phänomen – und kannst dich dann eher zurückhalten!
Außerdem ist Decision Fatigue der Grund, weshalb Steve Jobs immer die Jeans und den schwarzen Rollkragenpullover trug, die zu seinem Markenzeichen wurden: Er wusste über das Phänomen Bescheid und wollte seine täglichen Entscheidungen reduzieren, um seine Produktivität zu steigern – indem er einfach immer dasselbe trug und keine Zeit und Energie damit verbringen musste, etwas auszusuchen. Und wir wissen ja alle, was Steve Jobs alles so erreicht hat! Er ist auch nicht der Einzige – u. a. trug auch Einstein jeden Tag dasselbe, und Obama trug aus diesem Grund im Amt immer nur graue oder blaue Anzüge. Natürlich muss das nicht jeder so extrem machen, doch daran erkennt man, dass es wirklich wirkungsvoll sein kann, etwas gegen seine Decision Fatigue zu unternehmen!