Kennst du das von dir auch so, dass dir eher negative Ereignisse im Kopf hängen bleiben als positive?
Du wirst zum Beispiel regelmäßig von deinem Chef gelobt. Dann hat er ein einziges Mal was an deiner Arbeit auszusetzen – und das bleibt dir dann ewig im Kopf, obwohl du den Lob im Normalfall schnell wieder vergessen hast.
Die gute Nachricht: Mit dir ist nichts falsch.
Die schlechte Nachricht: Das ist einer normalen kognitiven Verzerrung (ein Denkmuster), an der die allermeisten Menschen unbewusst leiden, zu verdanken. Sie heißt Negativitätsbias und besagt, dass negative Ereignisse stärker wahrgenommen und verinnerlicht werden – und uns emotional eher betreffen – als positive.
Dieser Bias ist übrigens auch der Grund, warum uns negative Schlagzeilen eher auffallen und im Gedächtnis bleiben als positive. Viele Medien nutzen das Phänomen aus.
Allerdings ist das alles nun kein Grund zum Verzweifeln – denn dadurch, dass du hier bist, bist du den meisten schon einen Schritt voraus. An kognitiven Verzerrungen kann man nur etwas ändern, wenn man überhaupt weiß, dass sie existieren und wie sie ablaufen. Erst dann kann man sie beobachten, erkennen und ihnen somit ihre Kraft nehmen – weil man weiß, dass das, was sie einen oft glauben lassen, nicht unbedingt der Realität entspricht.
Zunächst steigen wir also ein wenig tiefer in den Negativitätsbias ein, damit du ihn wirklich verstehen kannst.
Wo kommt der Negativitätsbias her?
Der evolutionäre Grund dafür ist eigentlich ein guter: Der Bias diente früher dazu, schnell auf Gefahren zu reagieren, um sich davor schützen zu können. Somit stammt diese kognitive Verzerrung aus einem Überlebensmechanismus – wäre man nicht so aufmerksam gewesen oder weniger auf Negatives eingestellt, hätte man schnell in gefährliche Situationen geraten können (seien das Naturkatastrophen, Raubtiere oder auch Personen mit bösen Absichten, die das gesellschaftliche Miteinander und den Fortschritt bedrohten).
Allerdings hat sich die Welt verändert und dieser Bias ist heutzutage nicht mehr so nötig oder hilfreich, wie er es mal war – und kommt oft in Situationen auf, wo er sogar schadet, weil er sich negativ auf die Gefühle, Gedanken und das Verhalten der betroffenen Person auswirkt.
Er stresst uns; macht unsere Laune kaputt; hält uns davon ab, Neues auszuprobieren; beeinflusst unsere sozialen Interaktionen; hemmt uns darin, klar zu denken und wirkt sich sogar negativ auf unser Gedächtnis und unsere Konzentrationsfähigkeit aus.
Was können wir dagegen tun?
Wir sind dem Negativitätsbias nicht hilflos ausgeliefert. Das Gefährlichste an ihm ist, dass er meist unbewusst abläuft. Wenn wir allerdings Bescheid wissen, dass diese kognitive Verzerrung genau das ist – eine Verzerrung und eben nicht die Realität – können wir dagegen ankämpfen. Und nun wissen wir ja Bescheid!
Wenn uns auffällt, dass wir uns stark auf ein negatives Ereignis fokussieren, können wir zunächst unsere Gefühle und Gedanken hinterfragen und überprüfen, ob unsere Reaktion auf die Situation passend ist oder eher übertrieben. Wir können einschätzen, ob die Situation tatsächlich gefährlich ist – oder ob sie überhaupt in unserer Kontrolle ist.
Wenn sie keins von beiden ist, können wir sie loslassen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, doch erinnert man sich immer wieder daran und führt sich die Gründe vor Augen, wieso man sich nicht darauf fokussieren sollte oder muss, ist es machbar.
Eine Sorgenviertelstunde, ein Braindumping oder diese Flussübung können für das Loslassen schädlicher Gedanken hilfreich sein. Ebenso kann es hilfreich sein, seine Gedanken zu reframen (etwas z. B. als Lernerfahrung anstatt als Rückschlag zu bewerten) oder den mentalen Filter auszutauschen. Vielleicht gelingt es dann eher, sich auf das Positive zu fokussieren!
Es ist generell eine sinnvolle Idee, seine Aufmerksamkeit mehr auf Positives zu lenken, wenn möglich. Wer versucht, ein positives Mindset zu haben, lässt seinem Negativitätsbias weniger Raum, um seinen Unfug zu treiben. Ein Dankbarkeitstagebuch, in das man täglich schreibt, zu führen ist z. B. eine gute Methode dafür. Auch Meditation oder Achtsamkeitsübungen, die einen wieder in das Hier und Jetzt ziehen, können helfen, die durch den Negativitätsbias ausgelösten Gedankenspiralen zu unterbrechen.
Dieser Tipp mag vielleicht absurd klingen, aber du kannst auch direkt mit deinem Negativitätsbias sprechen. Anstatt zu versuchen, ihn zu verdrängen, kannst du ihn anerkennen; ihm sagen, dass du weißt, dass er dich eigentlich beschützen will; dich bei ihm bedanken aber ihm dann auch signalisieren, dass er gerade nicht nötig ist, weil du nicht in Gefahr bist. Vielleicht lässt er dich dann eher in Ruhe.
Hoffentlich hast du durch diesen Beitrag etwas mehr über dich und deine Gedanken gelernt und fühlst dich nun besser gewappnet, um gegen die Negativität anzukämpfen!