Kennst du das Gefühl, niemals fertig zu sein – immer etwas zu tun zu haben und nie genug Zeit dafür? Fühlst du dich manchmal überfordert, weil dein Kopf immer tausende Sachen auf einmal machen will und du nicht hinterherkommst?
Hast du schlichtweg das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben – was zu sehr viel Stress führt?
Und würdest du gerne verstehen, warum das so ist – damit du vielleicht endlich mal etwas daran ändern kannst?
Dann bist du hier genau richtig!
Lass uns mal gemeinsam tief in das Thema einsteigen. Da dieses Zeitnot-Gefühl oft unterbewusst entsteht, kann es helfen, sich einfach mal vor Augen zu führen, wo es eigentlich herkommt – denn dann kann man bewusst damit beginnen, ihm entgegenzuwirken.
Dafür fangen wir einfach mal ganz am Anfang an.
Was ist Zeit und wozu ist sie gut?
Zeit ist ein soziales Konstrukt. Wir brauchen Zeit, um uns zu orientieren sowie aus gesellschaftlichen Gründen – ohne sie wäre keine Koordination oder Planung möglich, die wir brauchen, um als Gesellschaft Fortschritt zu machen. Außerdem sind Menschen soziale Wesen und brauchen deswegen Zeitmessung, um sich einfach zusammentun zu können.
Zeit spielt in jedem Aspekt des Lebens (ob kollektiv oder individuell) eine Rolle. Selbst wenn man sich eine Pizza in den Ofen schiebt, muss man wissen, wie lange man sie backen soll. Außerdem kann man diese Zeit dann effizient anders nutzen und muss nicht vor dem Ofen hocken, damit nichts verbrennt. Dasselbe Prinzip gilt auch auf einer größeren Skala für z. B. Arbeitsabläufe in Unternehmen oder Fabriken; alles ist genau getaktet, um so effizient wie möglich zu sein.
Das Problem mit der Effizienz
An sich ist Effizienz natürlich eine tolle Sache, die es uns und unserer Gesellschaft ermöglicht, uns immer weiter zu entwickeln.
Doch diese Vorstellung der Effizienz und das Gefühl, alles muss so schnell wie möglich geschehen, damit man auch auf dem individuellen Level so produktiv wie möglich ist, kann in manchen Hinsichten auch schädlich sein – wenn es dich als individuellen Menschen in deinem alltäglichen Leben stresst.
Woher kommt dieses Gefühl eigentlich?
Dieser Druck ist ein Nebenprodukt der weit vorangeschrittenen, schnellen Gesellschaft, in der wir leben. Wir Menschen haben dieses gesellschaftliche Zeitgefühl verinnerlicht, weil es in jedem Aspekt unseres Lebens eine Rolle spielt – und dafür können wir erstmal nichts.
Es gibt so viele Dinge und Reize, die sich heutzutage um unsere Zeit streiten. Neben der Arbeit und allem, was in der Außenwelt um uns herum passiert, gibt es jetzt auch noch Smartphones, soziale Medien, Streaming uvm.
Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Komplexe Gesellschaftssysteme wie unseres produzieren immer mehr und immer schneller, und desto mehr das geschieht, desto mehr und schneller wird auch konsumiert. So entsteht mehr Nachfrage – und so geht es immer weiter. Alles muss so schnell wie möglich sein, sei es das Internet, Transport, selbst Essen und Trinken (Fast-Food, Instant-Kaffee etc.) uvm.
Im Alltag ist es also so gut wie unmöglich, all dem zu entweichen. Und die meisten von uns wollen das ja (zumindest bewusst) auch gar nicht, weil wir dran gewöhnt sind und es schwer ist, Gewohnheiten zu ändern – vor allem die, die so tief in uns drin stecken und uns von Geburt an schon prägen.
Da Produktivität und Effizienz von der Gesellschaft generell als etwas Erstrebenswertes angesehen werden, macht es es noch schwieriger, sich bewusst zu werden, dass man das (zumindest in dem Maße) vielleicht eigentlich gar nicht will.
„Zeit ist Geld“
Diesen Satz hat bestimmt jeder schon einmal gehört. Es heißt, wer viel Zeit hat bzw. sie effektiv einsetzt, hat auch viel Geld (und somit viel Macht oder Einfluss in seinem Feld – im Zeitalter der sozialen Medien ein großes Ziel, da viele sich quasi wertlos fühlen, wenn sie z. B. keine Online-Präsenz haben).
Interessanterweise wird auch das Tragen von Armbanduhren als Statussymbol angesehen – desto teurer, desto besser. Das sieht man bei prominenten Menschen oft. Auch wenn man es vielleicht nicht direkt auf diese Art und Weise betrachtet, verstärkt dieses Phänomen subtil wieder den Gedanken, dass man anerkannt wird, wenn man Zeit beherrscht (oder zumindest die Illusion ausstrahlt).
Doch das ist ein Teufelskreis. Wer durch Zeitbeherrschung mehr Macht gewinnt, hat theoretisch dann durch diese Macht wiederum mehr Zeit bzw. mehr Freiraum in der Gestaltung dieser Zeit. Doch an die Macht kommt man eben erst, wenn man gut mit seiner Zeit umgegangen ist – und die neugewonnene Zeit muss dann ebenfalls wieder gut eingesetzt werden, um die Macht zu behalten oder weiterhin zu vergrößern.
Der „Zeit ist Geld“-Gedanke ging verstärkt während der Zeit der Industrialisierung los, mit dem Entstehen vieler neuer Maschinen und dem Routinisieren von Arbeitszeiten und ‑abläufen. Ziel war es, alles effizienter zu machen – und auch als Mensch quasi wie eine Maschine zu funktionieren.
Doch wir sind nun mal keine Maschinen. Wir sind Menschen.
Im 2022 erschienen Song „Gar nicht mal so glücklich“ von Sido feat. Estikay rappt Estikay diese Zeile:
„Zeit ist Geld, deshalb ist mein Kalender ausgebucht.“ Doch wie man schon an dem Titel des Songs und auch den restlichen Zeilen erkennt, ist das nichts Erstrebenswertes, sondern im Gegenteil – all das, wonach man in dieser Gesellschaft strebt, macht eben „gar nicht mal so glücklich wie du glaubst.“
Soziale Medien und Internet
Durch die Entwicklung immer mehr moderner Technologien und vor allem sozialen Medien, wo man zu jeder Tageszeit tausende von Sachen auf tausenden von Plattformen auf einmal sehen kann, entsteht sozusagen eine Illusion der Gleichzeitigkeit.
Wir können niemals alles sehen, lesen, hören oder aufnehmen, was es gibt oder was wir wollen. Ein gutes Beispiel dafür ist Youtube – es gibt Unmengen an Videos und eins führt immer zum nächsten – oder auch TikTok, wo man endlos lang scrollen und ein kurzes Video nach dem anderen schauen kann. Dann ist ganz schnell mal eine Stunde vorbeigegangen, ohne dass man es überhaupt bewusst bemerkt hat. Streamingdienste sind ebenfalls ein gutes Beispiel: Alles ist jederzeit abrufbar; man muss nicht auf ein bestimmtes Fernsehprogramm warten und die meisten von uns abonnieren sogar mehrere Streamingdienste. Man könnte ewig Fern schauen und nie alles gesehen haben.
Es gibt so viel, was man mit seiner Zeit tun kann – ein wahrer Überfluss an Reizen – und für diese unbegrenzten Möglichkeiten nur eine begrenzte Lebenszeit. Das wollen wir nicht akzeptieren, weil wir als Folge dieser Illusion der Gleichzeitgikeit eine Art Verpassungsangst entwickeln.
Die Verpassungsangst
Vielleicht kennst du ja den Begriff „FOMO“ (= Fear of missing out; Englisch für die Angst, etwas zu verpassen). Der Begriff an sich ist interessanterweise auch ein Akronym, was auch symbolisch für die Entwicklungen in der heutigen Kommunikation ist: Alles wird abgekürzt, um effizienter zu kommunizieren.
Diese Verpassungsangst macht sich im Leben oft bemerkbar – man möchte mehr Content sehen, als man kann und zudem hat man durch Posts auf sozialen Medien, die nicht der Realität entsprechen, auch noch das Gefühl, alle anderen kommen besser klar. Dadurch entsteht mehr Druck und das schlägt manchmal auch echt auf den Selbstwert, weil man nicht mithalten kann.
Außerdem spürt man auch noch Druck, sein Leben ebenfalls auf diese Art und Weise in den sozialen Medien zu teilen, um nicht zurückgelassen zu werden, und der Teufelskreis geht weiter. Auch glaubt man oft, immer erreichbar sein zu müssen, was ebenfalls stresst.
Man sieht ironischerweise in sozialen Medien auch tausende Tipps und Wege, den Alltag besser/effizienter zu strukturieren, doch oft setzt man sie nicht um, sondern guckt immer weiter, weil man immer Angst hat, genau den Tipp zu verpassen und glaubt, immer mehr dazulernen zu können. Das stimmt vielleicht auch, doch irgendwann ist man komplett überfordert und kriegt gar nichts mehr auf die Reihe.
Auch in professionellen Kontexten existiert die Verpassungsangst auf gewisse Art und Weise. Gibt es z. B. irgendwelche Nachrichten aus der Promi-Welt, wollen alle möglichen Anbieter sie so schnell wie möglich online kommunizieren, um mehr Traffic zu bekommen – wodurch sie letztendlich nur mehr machen müssen, um z. B. so weit oben im Google-Ranking oder den Smartphone-Algorithmen zu bleiben.
In jedem Aspekt des Lebens existiert also der Gedanke, dass wer langsam ist, im Nachteil ist. Man vergleicht sich mit allen anderen und hält sich dann für nicht gut genug – obwohl es schlichtweg unmöglich ist, mitzuhalten.
Das alles führt zu einem Gefühl von Zeitnot.
Das Paradox
Das Sterbealter ist heutzutage doppelt so hoch wie im Mittelalter. Die Arbeitszeit hat sich seit dem 19. Jhdt. von einer 80-Stunden-Woche auf eine 40-Stunden-Woche reduziert. Die Welt ist effizient und wir Menschen hatten noch nie so viel Zeit – doch warum fühlt es sich dann so an, als hätten wir gar keine? Als gäbe es immer was zu tun; immer einen Weg, um die eigene Zeit effektiver zu nutzen? Viele von uns können nicht still sitzen und abschalten, weil der Kopf immer weiterdenkt, plant und stresst.
Selbst Pausen fühlen sich nicht wie Pausen an, weil man währenddessen schon daran denkt, was man als Nächstes tun muss – sowohl in der Arbeit als auch im Privatleben.
Wir versuchen die ganze Zeit, Zeit zu gewinnen und haben deswegen das Gefühl, wir hätten keine Zeit.
Das Ironische ist eben, dass wir eigentlich Pausen wollen und auf Pausen hinarbeiten. Wir denken, wenn wir jetzt arbeiten, haben wir nachher mehr Freizeit. Wir geben quasi unsere aktuellen Bedürfnisse und Wünsche auf, um sie in Zukunft irgendwann erfüllen zu können, doch irgendwie kommen wir in der Zukunft trozdem selten dazu bzw. nutzen die Zeit dann auch nicht, um uns wirklich auszuruhen oder mal ein wenig abzuschalten – denn es fühlt sich für uns wie Zeitvergeudung an, nichts zu tun.
Wir schauen dauernd auf die Uhr – nicht, um die Zeit abzulesen, sondern eher um auszurechnen, wie viel Zeit uns noch bleibt, bis wir wieder an die Arbeit müssen, bis wir ins Bett müssen, bis wir aufstehen müssen, bis wir zu einem Arzttermin müssen…und was wir in dieser Zeit vielleicht noch schaffen können. Durch Smartphones ist das alles auch viel präsenter, weil man die Uhrzeit immer sieht, wenn man auf den Bildschirm schaut.
Wäre es nicht sinnvoll, manchmal auch einfach jetzt eine Pause zu machen – und zwar eine richtige?
Wie bereits beschrieben, geht das schlecht, weil wir immer das Gefühl haben, mit der Welt mithalten zu müssen – und da das unmöglich ist, können wir nie genug tun. Das Problem ist also hier das:
Unsere Ansprüche sind unrealistisch!
Der Soziologe und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann schrieb, „Der Eindruck der Zeitknappheit entsteht erst aus der Überforderung des Lebens durch Erwartungen.“
Wir haben zu hohe Ansprüche an uns selbst. Wir als Menschen versuchen immer noch mit den Maschinen mitzuhalten. Doch diese sind einfach zu weit vorangeschritten. Es geht einfach nicht. Wir können unsere eigenen Bedürfnisse nicht mit den Ansprüchen und Anforderungen (sowohl den eigenen als auch den vermeintlichen von außerhalb) im Einklang bringen.
Oft sind wir uns über unsere eigenen Bedürfnissen nicht einmal bewusst, weil wir uns keine Zeit (oder eher Ruhe) nehmen, zu reflektieren. Wir sind also dauergestresst, weil wir nicht harmonisch im Einklang mit uns selbst leben – und wir fühlen uns minderwertig, weil wir nicht mit der Welt mithalten können.
Und wie bereits erwähnt, fühlt sich unsere Freizeit nicht wie Freizeit an, da wir das Gefühl haben, Zeit zu verschwenden. Dadurch, dass die meisten von uns dauernd am Handy hängen, nehmen wir unsere Freizeit auch nicht achtsam wahr – und dann ist sie blitzschnell wieder vorbei.
Was kann man dagegen tun?
Aus diesen Problemen lassen sich zwei Lösungsansätze ableiten:
Man muss seine Erwartungen anpassen und man muss entschleunigen.
Erwartungen anpassen
Um dies zu schaffen, musst du reflektieren. Das geht z. B. schriftlich gut, weil du es dann vor Augen hast und deine Gedanken ordnen kannst. Du musst dir bewusst werden, was für Erwartungen und Ansprüche du an dich hast, und ob diese realistisch sind. Wenn nicht, kannst du daran arbeiten, sie anzupassen, sodass sie auch tatsächlich erfüllbar sind – nur so kannst du dich auch mal zufriedengeben.
Außerdem musst du dir bewusst werden, was für Bedürfnisse, Werte und Prioritäten du hast – denn nur somit kannst du ihnen gerecht werden, deine Zeit darauf fokussieren (anstatt auf tausend andere, unwichtigere Sachen), und dann insgesamt ein entspannteres Leben im Einklang mit dir selbst führen.
Doch um dir über diese klar zu werden, brauchst du erstmal etwas Ruhe von den ganzen Reizen und dem ganzen Stress, um überhaupt mit klarem Kopf reflektieren zu können. Und das geht so:
Entschleunigen
Entschleunigung ist nichts weiter als ein bewusstes Verlangsamen deines Lebens. Klingt nicht kompliziert, ist es aber, weil wir gar nicht daran gewöhnt sind und es sich dem widersetzt, was wir unser ganzes Leben lang gelernt haben. Doch du kannst versuchen, dir die oben beschriebene Verpassungsangst und den Drang nach mehr Produktivität abzugewöhnen, wenn du ein stressfreieres Leben führen möchtest.
Du musst ja auch nicht gar nichts mehr machen oder keinen Ehrgeiz mehr haben. Ziele sind trotzdem wichtig und gut – solange sie hilfreich sind, und nicht übertrieben oder unrealistisch (und dadurch schädlich)!
Manchmal ist es in Ordnung, bewusst nein zu sagen und Grenzen zu setzen – sowohl anderen Menschen gegenüber als auch dir selbst gegenüber – und dir gezielt Pausen einzuplanen, die du dann wirklich achtsam als Pausen nutzt.
Manchmal ist es eben in Ordnung, einfach nur genug zu tun und nicht mehr – sei es für die Arbeit oder in Bereichen deines Privatlebens. Du bist nämlich keine Maschine, sondern ein Mensch, und deswegen musst du nicht immer perfekt getaktet „funktionieren“, sondern kannst einfach nur dein Bestes geben, ohne dich dabei in den Burnout zu treiben – und dann kannst du endlich mal damit zufrieden sein und deine Freizeit genießen!
Ein paar Tricks und Ideen zum Thema Entschleunigung findest du in diesem Beitrag.
Hoffentlich hat dir dieser Artikel einen ersten Ansatz gegeben, etwas in deinem Leben zu ändern, um weniger unter der vermeintlichen Zeitnot zu leiden. Das Problem zu verstehen ist nämlich der erste Schritt – du bist auf dem richtigen Weg!
Für eine Kurzübersicht/Zusammenfassung dieses Themas, klicke hier!